1913 Im Schutzgebiet leben jetzt 14 830 Europäer. Davon sind 87% Deutsche, 11% Buren, 1% Briten und 1% andere Nationalitäten.
Vom 1. Januar 1913 bis 31. März 1914 werden durch Gerichtsurteile und "administrative" Verfügungen 49 506 Auspeitschungen an "Schwarzen" durchgeführt. Dies würde als einfache und billige Strafmaßnahme angesehen.
Etwa 20% der Weltproduktion von Diamanten werden im Schutzgebiet gefördert (hohe Qualität mit niedrigen Produktionskosten).
Von 205 643 Rindern im Schutzgebiet besitzen europäische Farmer 89%, Nama und Ovaherero 2,5% sowie Baster 5,3%. 1 331 Farmen mit einer Fläche von 13 393 606 ha befinden sich in "weißer Hand", 914 Farmen gehören Deutschen.
Der Bau einer neuen Stahl-Landungsbrücke beginnt in Swakopmund. Das Bauwerk ist bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht fertiggestellt. Nur 262 m der ursprünglich geplanten Länge von 640 m können vollendet werden.
Die Zucht von Straußen beginnt auf den Farmen Okaturua
und Okosombuka.
Der Bau des Regierungs-Hauptverwaltungsgebäudes, im Volksmund "Tintenpalast" genannt, beginnt in Windhoek. Der Architekt ist Gottlieb Redecker.
Der erste Funkturm (120 m Höhe) für die Radiostation Windhoek wird errichtet. SWA ist jetzt direkt über Kamina in Togo mit Nauen in Deutschland verbunden. Der reguläre Radioverkehr beginnt allerdings erst am 04.08.1914 und verkündet den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Nach der kriegsbedingten Zerstörung der Kamina-Relais-Station am 26.08.1914 ist es kaum noch möglich, direkten Kontakt mit Deutschland zu erhalten, selbst als eine behelfsmäßige Relais-Station in Usakos in Betrieb genommen wird. Nach der Aufgabe der Lüderitzbuchter Radiostation am 14.09.1914 wird diese nach Aus verlagert. Die Aus-Radiostation wird unter der Leitung des Postinspektors Ventzke bis zu ihrer kriegsbedingten Zerstörung am 27.03.1915 betrieben. Eine weitere Radiostation wird in Tsumeb am 24.11.1914 eingerichtet und ersetzt die Windhoek-Radiostation nach ihrer Sprengung im April 1915. Die Tsumeb- Station wird den südafrikanischen Streitkräften am 06.07.1915 unversehrt übergeben.
Im Spitzkoppemassiv werden vorgeschichtliche Felsmalereien entdeckt.
Die Zinnvorkommen bei Uis werden von der De Beers Consolidated Mines untersucht. Weitere Zinnvorkommen werden in Plögers Schürffelder, Neineis, Aubinhonis, Nobgams, Humdigams, Tsomtsaub, Meridas, Paukwab, Thelma Mine, Crystal Tin Mine, Okandjou, Davib und Irles Feld ausgebeutet. Vor dem ersten Weltkrieg werden 200 t konzentriertes Zinn (70%) im Schutzgebiet gefördert.
Die erste Lehrerbildungsanstalt wird von der Finnischen Missionsgesellschaft in Oniipa eröffnet.
01.01. Das Koloniale Eisenbahnbau und -betriebsgesetz, 1912, wird gesetzkräftig.
01.03. Das Postamt Klein-Nauas wird eröffnet.
März/April Die Römisch-Katholische Missionsstation Andara wird ihrer Bestimmung übergeben.
Die Misshandlung von namibischen Eingeborenen geht ungehemmt weiter. Es häufen sich die Fälle, dass Afrikaner von "weißen" Siedlern ausgepeitscht werden, was, verharmlosend, als "väterliche Züchtigung" dargestellt wird. Der Fall des Farmers Ludwig Cramer (Farm Otjisororindi am Schwarzen Nossob) repräsentiert ein besonders böses Beispiel. Der Missionar Johann Jakob Irle rapportiert den Fall der Polizei. Die polizeiliche Untersuchung ergibt, dass Cramer innerhalb zweier Wochen zwei "schwarze" Frauen, die sich in anderen Umständen befanden, mit dem Sjambok (Nilpferdpeitsche) derartig geprügelt hatte, dass sie Fehlgeburten erlitten. Zwei weitere Frauen starben gar an den Folgen der Misshandlungen. Cramer wird wegen schwerer Misshandlung von sieben Frauen und eines Mannes belangt und in erster Instanz zu 1 Jahr und 9 Monaten Gefängnis verurteilt. In zweiter Instanz wird das Urteil auf 4 Monate Gefängnis und einer Geldstrafe von 2 700 Mark vermindert. Gegen dieses Urteil läuft die Frau des Angeklagten, Ada Cramer, Sturm, die, wie gerichtsnotorisch festgestellt wurde, ihrem Mann bei der Misshandlung namibischer Eingeborener unterstützt hatte. Sie veröffentlicht später ein Buch, das die Verbrechen Ludwig Cramers bagatellisiert und rechtfertigt.

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Kürzlich entdeckte Photos in den deutschen Akten (Namibia Staats-Archiv): Aufgenommen von Missionar Johann Jakob Irle: Namibier, der von dem deutschen Farmer Ludwig Cramer ausgepeitscht wurde, 1912/13
Photos: Namibia State Archive

01.04. Das Gouvernement übernimmt die Kontrolle über das gesamte Eisenbahnsystem im Schutzgebiet, inklusive der neu gebauten Eisenbahnlinie von Windhoek nach Karibib und der neuen Nord-Süd-Eisenbahn zwischen Windhoek und Keetmanshoop.
13.05. Das Postamt Gochaganas wird endgültig geschlossen.
09.06. Die Landbank für Deutsch-Südwestafrika wird in Berlin gegründet (erster Direktor ist Dr. Fresenius, der Ende des Jahres nach SWA ausreist).
16.06. Der deutsche Reichskanzler erteilt dem Landesrat weitere Legislativ- und Exekutivfunktionen in folgenden Angelegenheiten: Arbeitsbeschaffung für "Eingeborene", Gesundheit, Straßen- und Wasserbau, Land- und Forstwirtschaft, Jagdrechte und Rinderzucht.
19.08. Das Postamt Barby wird eröffnet.
22.08. Ein Krankenhaus wird in Keetmanshoop eingerichtet.
01.10. Das Postamt Otjundaura wird eröffnet.
November Der Bau des "Tintenpalastes" ist abgeschlossen.
Dezember Die Römisch-Katholische Kirche in Tsumeb wird eingesegnet.
09.12. Das Postamt Okatjomboa wird eröffnet.

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Turnhalle-Gebäude, 1913
Photo: Namibia State Archive

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[Inhaltsverzeichnis]

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