DER WEG IST DAS ZIEL - DER ANMARSCH IN DEN HOCH-HIMALAYA

Klaus Dierks
©  Dr. Klaus Dierks 1982-2004

 

Am Anfang einer Trekking-Expedition in den Himalaya steht der wochenlange Anmarsch durch die Vorberge, ehe man die Eisriesen auf dem Dach der Welt zu Gesicht bekommt.

Vor diesem Anfang muß aber erst einmal ein guter Sirdar, ein Sherpa-Führer, gefunden werden, der für den reibungslosen Ablauf der Trekking-Expedition und die Beaufsichtigung der Träger zu sorgen hat. Diese Anwerbung ist gar nicht so einfach, da einerseits bei pro Jahr etwa dreißig Expeditionen in den Nepal-Himalaya alle wirklich guten Sirdar schon lange ausgebucht sind, und sich andererseits Leute Sirdar nennen, die nicht einmal gute Träger abgäben.

1980 verspricht der berühmte Ang Kami Sherpa, der schon hoch am Mount Everest war, Gerd Kuchling und mir zu helfen. Er führt uns stolz den Sherpa-Sirdar Nima Lama vor. Nima Lama ist Ende zwanzig, hat fröhliche, schlaue funkelnde Schlitzaugen, eine kurze, kräftige Figur und einen runden Kopf mit dem tibetischen Bürstenhaarschnitt eines Lamas. Nima ist ein wirklicher Lama. Auf der Brust trägt er ein silbernes Kästchen mit einem vom Dalai Lama gesegneten Amulett. Mit solchen heiligen Verbindungen kann ja nichts mehr schief gehen, glaube ich, zumal A.K.-Sherpa, wie ihn jedermann in Kathmandu nennt, uns versichert, daß Nima Lama ein erfahrener Bergsteiger sei, der bereits mit Edmund Hillary unterwegs gewesen ist. Ich bin dennoch etwas skeptisch, habe aber andererseits keine andere Wahl, als Ang Kami zu glauben. Da wir den schwierigen und gefürchteten Trashi Laptsa zwischen dem Rolwaling und dem Khumbu bezwingen wollen, habe ich allen Grund, meine Zweifel zu unterdrücken und sowohl Ang Kami als auch Nima Lama mein volles Vertrauen zu schenken. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, daß Nima den Trashi Laptsa nicht kannte.

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Nima Lama, unser Sherpa-Sirdar 1980, vor der großen Gebetsmühle in der gompa von Simi Gaon im Rolwaling 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Meine Zweifel werden noch bestätigt, als ich ihn irgendwann unterwegs frage, - vermutlich als ich entdeckte, daß Nima unsere Eisschrauben in Kathmandu vergessen hatte - welche Berge er schon bestiegen hätte. Ich bekomme zur Antwort, daß er bisher auf keinem "großen" gewesen sei. Meine nächste Frage ist logischerweise, welche "kleinen" Berge er denn dann bestiegen hätte, und ich höre ungläubig, es seien nur "sehr, sehr kleine" gewesen. Ich beschließe, um meines Seelenfrieden willens, das Verhör lieber abzubrechen und unser Schicksal in die Hände der tibetischen Götter zu legen. Später stelle ich zu meinem Schrecken auch noch fest, daß er offensichtlich nicht mit einem Seil umgehen kann und noch nie Steigeisen getragen hat. Wenn Nima Lama wirklich auf einer Hillary-Expedition gewesen ist, dann ganz sicher nur als Koch!

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Thame Gompa, links: Nima Lama 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Als wir an einem wunderbar klaren, kalten, tauffrischen Nachmonsuntag im Oktober 1980 zum Mount Everest aufbrechen, ahne ich allerdings noch nichts von diesen Katastrophen. Wir wollen die schönste, dafür aber auch die schwierigste Route zum höchsten Berg der Erde anpacken. Sie führt durch den Rolwaling-Himalaya und dann über den gefährlichen, fast 6 000 Meter hohen Trashi Laptsa in den Khumbu, das Herzland der Sherpa.

Es ist kein Problem, in Bahrabise am Arniko Rajmarg, wie die von den Chinesen gebaute "Tibet-Straße" von Kathmandu nach Lhasa genannt wird, Träger zu finden. Sie stehen überall herum und nehmen jede Ladung an, die nicht schwerer ist als vierzig Kilogramm. Wir haben die langen schweißtriefenden Trägerkolonnen, die, gebückt unter ihren Tragkörben, oft wochenlang unterwegs sind, bereits während der Fahrt im überfüllten Bus von Kathmandu nach Bahrabise gesehen.

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Bahrabise am Arniko Rajmarg (Tibet-Straße) im Lapchi-Kang, im Bhote Kosi-Tal, Nepal 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Die Träger befestigen die Last an einem über die Stirn laufenden Band, so daß sie sich auf Stirn und Rücken verteilt. Oft genug endet die schweißtreibende Schinderei in einer kleinen Batti, einer dunklen, verräucherten Kneipe in Kathmandus Altstadt, wo die Träger ihr sauer verdientes Geld in Tschang und Rakschi umsetzen. In ihrem leeren Tragkorb tragen sie dann eine kleine Götterfigur zurück, um die daheimgebliebene Frau darüber hinwegzutrösten, daß das Geld für den langersehnten Baumwollstoff in den Battis von Kathmandu geblieben ist. Diese Träger, die Nepals größte Berufsgruppe darstellen, da ja immer noch der überwiegende Teil des Warenverkehrs auf menschlichem Rücken abgewickelt wird, sind zwar zerlumpt und barfuß, aber dennoch stets fröhlich und zum Lachen aufgelegt, bewegen sich mit kleinen Tanzschritten heimwärts und begnügen sich mit dem, was sie haben und ohne zu begehren, was sie nicht haben können.

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Gerd Kuchling mit unseren Trägern in Bahrabise, 1980 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Nima Lama hat in wenigen Minuten fünf Träger mit ihren Tragkörben angeworben. Alle Träger, die uns in den nächsten Wochen von Bahrabise am Bhote Kosi Fluss bis hoch in den Rolwaling-Himalaya begleiten sollen, sind Thamang.

Sie bekommen den von der Regierung festgesetzten Lohn von zwanzig nepalischen Rupien am Tag (1980) - das sind knapp zwei US Dollar - und am Schluß ein kräftiges Bakschisch (Anfang der neunziger Jahre ist der festgesetzte Trägerlohn im nepalischen Mittelland immer noch zwei bis drei US Dollar, nur sind das jetzt mehr als hundert nepalische Rupien). Dieser Lohn scheint für die schwere, körperliche Arbeit, die die Träger zu leisten haben, sehr niedrig zu sein. Durch den festen Satz hilft die Regierung, das wirtschaftliche Gleichgewicht zu halten. Eine drastische Erhöhung der Trägerlöhne für Trekkingunternehmungen und Expeditionen könnte das gesamte Wirtschaftsgefüge Nepals durcheinander bringen.

Die jahrtausendalte Trägerroutine im Himalaya schreibt vor, daß sich die Träger auf dem Marsch selbst verpflegen müssen. Das gilt natürlich nicht für Gebiete des Hoch-Himalaya über 4 500 Meter, wo eine Verpflegung aus dem Lande heraus nicht mehr möglich ist. Wir nehmen es mit diesem unsozialen Grundsatz allerdings nicht so genau.

Bahrabise liegt nur 800 Meter hoch und ist der tiefste Punkt unserer Tour. Von hier aus hoffen wir, auf 6 000 Meter zu steigen. Der kleine Ort besteht aus den schönen Natursteinhäusern der Sunwar, deren Schieferschindeldächer wie in den Alpen mit Steinen beschwert sind. Es ist tropisch warm hier unten, und wir sehen trotz der Nähe der tibetischen Grenze noch keine Schneeberge. Die unglaublich steilen, bewaldeten Hänge steigen hier von dem weiß schäumenden Bhote Kosi auf über 4 000 Meter an. Am Fuße sind sie mit Hunderten von Ackerbauterrassen übersät, die erst in etwa 2 500 Meter Höhe von dichtem Urwald abgelöst werden.

Wir genießen unsere letzte Mahlzeit in der "Zivilisation" in einer kleinen dunklen Batti. Wir essen Nepals Nationalspeise, Dhalbat, Reis mit Linsen. Wir freuen uns an den kleinen Sunwarkindern, die draußen, mit dem gleichen Lärmaufwand wie alle Kinder der Welt, ihre herbstlichen Drachen aufsteigen lassen.

Dann endlich beginnt unser eigentlicher Treck, der uns zu den höchsten Bergen der Welt führen soll. Unsere kleine Expedition wird viele hundert Kilometer zu Fuß zurücklegen und dabei einige zehntausend Meter Höhendifferenzen hinauf und hinunter überwinden. Wir verlassen nun die moderne Zivilisation mit ihren Annehmlichkeiten wie elektrischer Energie, Telephon, Fahrzeugen und Computern und tauchen in das nepalische Mittelalter ein. Von jetzt ab sind wir völlig auf uns selbst angewiesen. Es gibt keinerlei moderne Kommunikationsmittel, keine Ärzte und Krankenhäuser, Postämter, Restaurants und auch keine Läden mehr, wo man irgend etwas kaufen könnte, was in der heutigen Zeit zur Gewohnheit geworden ist, außer vielleicht die nepalischen Zigaretten. Unsere Träger und wir müssen alles, was wir in den nächsten Wochen an Ausrüstung, Verpflegung und Brennmaterial brauchen, auf unseren Rücken tragen. Als Höhepunkt höchsten Luxus haben wir neben unseren Trägern und unserem Sirdar auch noch einen Koch, Indra Bahadur Mangar, der die recht einförmigen, kärglichen und meist vegetarischen Mahlzeiten zubereiten wird. Das normale Himalaya-Trägerdasein, so wie es sich hier seit Jahrtausenden abspielt, nimmt Form an. Der Tagesablauf wird nicht etwa durch unsere Wünsche, sondern durch die Trägerroutine bestimmt.

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Der steile Stufenweg zwischen Bahrabise und Okhreni  
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Hinter Bahrabise geht es auf unregelmäßigen Stufenwegen, die Hunderte von Metern aufsteigen, sofort sehr steil hoch. Der Treppenweg, der über halsbrecherische Steine führt, will und will kein Ende nehmen, so daß man bereits nach der ersten halben Stunde die Nase restlos voll hat. Bei tropischen Temperaturen läuft der Schweiß unangenehm brennend in die Augen, und man würde am liebsten wieder umkehren. Aber dann winkt ein wilder Feigenbaum mit verlockendem Schatten, in dem es sich unsere Träger schon bequem gemacht haben. Sie haben unter dem als heilig geltenden Pipalbaum ihre schweren Tragkörbe auf "Chautaras", Traglastabsetzmauern, abgestellt, ohne dabei die Last abnehmen zu müssen. Solche Chautaras gibt es in unregelmäßigen Abständen überall entlang der Fußpfade in Nepal. Die vielen Träger, die dauernd auf den endlos hinauf- und hinabführenden Fußpfaden unterwegs sind, treffen sich hier, setzen sich zu ruhigen Gesprächen nieder und rauchen auch schon mal eine ihrer selbst gedrehten Blätterzigaretten.

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Trägerrast unter einem Pipalbaum zwischen Bahrabise und Okhreni  
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Es kommt mir so vor, als wären von drei Nepali ständig einer unterwegs. Die Menschen, die wir treffen, scheinen in die Landschaft einbezogen zu sein. Sie sind ein inhärenter, harmonischer Teil ihrer Umwelt. Trotz ihrer viel schwereren Gepäcklasten empfinden sie die Strapazen nicht so stark wie wir. Das kann nicht nur an ihrer besseren Fitness und Akklimatisierung liegen. Die Götter ihrer Heimat scheinen mit ihnen zu sein. Sie drehen beim Laufen ihre Gebetsmühlen, opfern einer der vielen Götterfiguren eine Handvoll Reis oder schlagen die Tempelglocken an den kleinen Tempelschreinen am Wegesrande an. So halten sie Dämonen und böse Geister fern. Wir dagegen fühlen uns bereits hier in dieser gemäßigten Gebirgslandschaft wie ausgesetzt, ausgeliefert und alleine, mit allerlei eingebildeten oder wirklichen kleinen gesundheitlichen Problemen und Wehwehchen behaftet. Wir sind uns der vielen Gefahren auf diesen elenden Pfaden sehr gut bewusst. Wir, die wir im westlichen Aktivdenken befangen sind, suchen ständig das Neue, die Überraschung, bisher unbekannte Aussichten, vielleicht unbewusst auch die Gefahr. Unsere Träger jedoch sind nach den Prinzipien des tibetischen Buddhismus Teil des Kosmos und nicht menschliche Fremdkörper.

Aber auch wir lernen. Man hetzt nicht mehr, die "Welt der Zahlen" ist versunken. Man begreift unwillkürlich, daß der Lebensrhythmus im Himalaya ein anderer ist. Nach der ersten schweißtrocknenden Pause geht es bei tropisch-schwülen Temperaturen weiter die zahllosen Treppen den Berg hoch. Die Sonne sticht, der Rucksack drückt und an den Füßen melden sich die ersten Blasen. Ich mag gar nicht an die vielen Wochen denken, die mit dieser Art des Reisens noch vor uns liegen.

Nach einigen weiteren hundert Höhenmetern erreichen wir einen kleinen Hindutempel, Okhreni, wo ich zu meiner grenzenlosen Erleichterung feststelle, daß die Träger jetzt, um etwa vier Uhr nachmittags, bereits dabei sind, abzupacken. Ich beginne, die Trägerroutine des Himalaya recht sympathisch zu finden und ruhe mich erst mal gründlich im Schatten aus. Schließlich sind wir heute von 800 Meter auf stolze 1 320 Meter Höhe gestiegen. Ich fühle mich allerdings so, als ob ich gerade den Mount Everest bestiegen hätte.

Unser Koch, Bahadur, hat inzwischen seine rußigen Töpfe auf der offenen Feuerstelle aufgebaut und macht erst einmal Tee. Nach dem Tee gibt es ein typisches Thamangessen: Currykartoffeln, rohe Tomaten und Zwiebeln, sowie ein sehr scharfes, grünes Chiligemüse. Ständig kommt und geht irgendwer an unserem Rastplatz vorbei und läutet, nachdem wir ausgiebig bestaunt worden sind, die schöne alte Tempelglocke. Wir richten unseren Schlafplatz auf einer Art Plattform vor dem Tempel ein. Über uns, im ersten Tempelgeschoss, schlafen unsere Träger, zu denen sich auch einige sehr hübsche Trägerinnen, die Didis genannt werden - Didi heißt "ältere Schwester" -, gesellt haben. Die Küche befindet sich ebenfalls im ersten Geschoss, denn sie gilt als heiliger Raum und muß daher dem Himmel so nah wie möglich sein. Der Rauch quillt durch alle Ritzen nach unten in unsere Richtung. Später beginnt von oben auch Staub auf unsere Schlafsäcke herunterzurieseln. Die Didis singen die halbe Nacht hindurch ihre monotonen Gesänge. Die Sterne leuchten und die Grillen zirpen, und irgendwo im Süden, in Richtung Indien, wetterleuchtet es - es ist genauso schön wie zu Hause in Afrika.

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Okhreni im Lapchi-Kang  
Photos: Copyright: Klaus Dierks

Am nächsten Morgen kommt der Priester und läutet alle Glocken in ihren verschiedenen Tonhöhen. Die Hindugottheit Ganesha, der elefantenköpfige Sohn Shivas, und der heilige Dreizack daneben, werden mit Blumengirlanden geschmückt, und Ganesha bekommt - wie jeden Tag - auch einen roten Punkt, den Tika, auf seine Stirn gemalt.

Nach dem mageren Frühstück geht es gleich wieder steil hoch. Wir überqueren in 1 550 Meter Höhe die Hänge des Sun Kosi Flusses. Ganz kurz sehe ich einmal in der Ferne an der tibetischen Grenze einige hohe schneebedeckte Berge. Die aus Natursteinen gebauten Sunwarhäuser haben auch hier schiefer-gedeckte Dächer. Wir treffen Träger, die jeweils zwei große Schieferplatten, jede etwa fünfundzwanzig Kilogramm schwer, mit Hilfe des Stirnbandes schweißtriefend bergauf schleppen.

Bei einem der Sunwarhäuser erlebe ich den Aufbau einer Opfermandala, eine sehr seltene tibeto-buddhistische Zeremonie. Die Mandala ist eine besonders geheimnisvolle Form tibetischer Symbolgestaltung. Sie stellt eines der ältesten Symbole der Menschheit dar, ein Sinnbild für den gesamten Erdkreis. Die Mandala besteht aus streng geordneten, geometrischen Zeichen, hauptsächlich Kreisen und Quadraten, die von vielen tibetischen Gottheiten und einer buddhistischen Zentralfigur in der Mitte aufgelockert werden. Sie bedeutet eine Meditationshilfe, eine Hilfe zur Erleuchtung und Selbsterkennung. Die Mandala mit ihrer Zentralfigur soll die Versenkung in sich selbst, die höchstmögliche Konzentration, intensivieren. Sie ist eine Brücke zum Kosmos. Eine Opfermandala wird nach strengen Regeln, unter Aufsicht eines Lamas, aus verschiedenfarbigen Körnern, Steinen und Blumen kunstvoll aufgebaut. Sie vertritt einen uralten tantrischen Opferkult, um das Gleichgewicht zwischen der Welt der Menschen und der kosmischen Ganzheit darzustellen.

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Opfer-Mandala-Zeremonie in der Spituk-Gompa in Ladakh, 1999  
Photos: Copyright: Klaus Dierks

Während ich fasziniert dieser Opfermandalazeremonie zuschaue, ist unser Koch mit leichtem Gepäck vorgelaufen, um gegen 11 Uhr bei irgendeinem Haus oder einer kristallklaren Quelle das meist kärgliche und wenig abwechslungsreiche Mittagessen bereit zu haben. Bahadur ist offensichtlich der einzige, der diese Gegend hier kennt, aber er läuft so schnell, daß er leider oft vergisst, den Weg für uns mit Pfeilen zu markieren. So passiert es immer wieder, daß wir uns verlaufen. Der Schweiß läuft nach wie vor, an den Füßen öffnen sich die ersten Blasen. Wir wandern durch herrliche Rhododendronwälder, die in der Vormonsunzeit ganz zauberhaft blühen müssen. Bei subtropischen Temperaturen steigen wir auf über 2 200 Meter hoch.

Bei einem Bauernhaus bieten uns freundliche Sunwarmädchen eiskaltes Yoghurt an. Im Nachbarhaus wartet unser Koch mit dem Mittagessen. Danach geht es durch dichten Urwald, vorbei an vielen Wasserfällen, auf glitschigen Steinen balancierend, zu einem Pass hoch. Hier oben wehen Gebetsfahnen, um die Dämonen des Himalaya fernzuhalten. Von der Passhöhe haben wir den ersten Blick auf das Sherpadorf Dolangso und den sich darüber auftürmenden, fast 3 400 Meter hohen Pass, Tinsang La. Trübe Nebelschwaden ziehen schnell das Tal hoch, bald beginnt es auch zu regnen. Mühselig tasten wir uns durch den gießenden Nachmittagsregen auf den glatten Wegen vorwärts.

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Dolangsa im Lapchi-Kang in Nepal  
Photos: Copyright: Klaus Dierks

Die Sherpahäuser von Dolangso sind im Gegensatz zu den Trockenmauerwerkhäusern der Sunwar weiß gestrichen. Oberhalb des Dorfes liegt unter tropfnassen, hohen Bäumen die von Gebetsfahnen flankierte Gompa, die auf den ersten Blick keinen sehr einladenden Eindruck macht. Die Gebetsfahnen flattern traurig im Regenwind. Gerd Kuchling und ich sitzen derweil in der schwarz-verrußten Klosterküche und schreiben Tagebuch. Der Rauch zieht von der offenen Feuerstelle in der Mitte des Raumes durch die Schindeln ab. Draußen spielen Sherpakinder mit Steinen, die sie immer wieder hochwerfen. Es ist offensichtlich eine Art Glücksspiel. Eine schlampig wirkende, nicht sehr saubere Frau mittleren Alters ist der Lama der Gompa. Sie beweist uns, daß sie genauso gut und geräuschvoll spucken kann wie ihre männlichen Kollegen. Für fünf nepalische Rupien Klosterspende schließt sie das düstere Kloster auf.

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Dolangsa mit Author in der Mitte  
Photo: Copyright: Gerd Kuchling

Über den bewaldeten Bergen um uns herum, die so hoch und steil wie der Mont Blanc sind, hängen Nebelwolken, aus denen immer noch unfreundlich-grauer, durchnäßender, kalter Nieselregen fällt. Wir schlafen auf ausgerollten Strohmatten auf der offenen Veranda vor dem Gompa-Hauptraum. Die ganze Nacht hindurch knattern die Gebetsfahnen im Wind, und über den Mahabharatbergen im Süden wetterleuchtet es in tollen Lichtkaskaden. Der erste volle Trekkingtag, der bereits mehr als eine Blase an den Füßen hinterließ, war für mich eine harte Erfahrung. "Ganz gut" meinte Nima Lama, "aber morgen werdet ihr erst richtig laufen!"

Der nächste Morgen beginnt mit der üblichen Katzenwäsche im eiskalten Gießbach, der in Stromschnellen hinter der Gompa hinabschäumt. Nach zwei Tassen Tee, den üblichen Vitaminpillen, einigen Keksen und etwas Langtangkäse, den wir aus Kathmandu mitgebracht haben, brechen wir kurz nach sechs Uhr auf. Die Träger haben bereits aufgepackt und ziehen hintereinander in langer Reihe in den tropfnassen Urwald. Es geht hinter der Gompa von Dolangso gleich steil hoch. Wir packen die schlüpfrigen und steinigen Wege recht unlustig an. Die herrlichen Rhododendronwälder werden immer wieder von Lichtungen unterbrochen. Durch die Waldwiesen, die von wilden Himbeeren überwuchert werden, fließen kristallklare Bäche.

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Aufstieg zum Tingsa La 3 319 m  
Photos: Copyright: Klaus Dierks

Bald tauchen die ersten Manimauern auf. Sie zeigen, daß wir im buddhistischen Sherpaland angekommen sind. Manimauern werden aus einer Vielzahl von Steinen und Felsplatten aufgeschichtet, in die Gebetsformeln des tibetischen Buddhismus eingraviert sind. Die Mauern erfüllen den gleichen Zweck wie Gebetsfahnen und Gebetsmühlen. Sie sollen die guten Götter des tibetischen Buddhismus gnädig stimmen und die Dämonen fernhalten, und sie dürfen nur im Uhrzeigersinn umschritten werden. Nur unser Koch, der ein Hindu aus dem west-nepalischen Mangar-Bereich ist, hält sich nicht an diese heilige Regel.

Der Passweg scheint einfach kein Ende nehmen zu wollen. Ebensowenig will die Nadel des Höhenmessers nach oben rücken. Keuchend und schwitzend erreichen wir dann doch irgendwann die zwei Tschörten und die flatternden Gebetsfahnen, die anzeigen, daß wir den Tinsang La (3 319 Meter) bestiegen haben. Leider versteckt sich der Hoch-Himalaya, den wir hier zum ersten Mal zu erblicken hoffen, hinter Wolken. Wir sehen hinter vom Winde zerfetzten Baumgerippen nur ein Meer von bizarren Wolkengebirgen. Plötzlich öffnen sich die Wolken ein wenig, und wir erhaschen einen ersten Blick auf den mächtigen, eisgepanzerten, 7 145 Meter hohen Gaurisankar.

Beim steilen Abstieg müssen die mühsam erschwitzten Höhenmeter wieder preisgegeben werden. Auf einer Waldlichtung inmitten der wilden Rhododendron-Urwälder machen wir Rast. In einer schäbigen Waldhütte trinken wir warmen Yoghurt. Andere Nahrungsmittel können die armen Gebirgsbewohner dieser Gegend nicht zum Verkauf anbieten. Die Landwirtschaft des Himalaya wird noch immer auf einer rein selbstversorgender Grundlage betrieben. Jede Familie erzeugt nur das, was sie verbraucht, und oft sind Nahrungsmittel so knapp, daß man nichts verkaufen kann, ohne die Familie dem Hunger auszusetzen. Wir müssen von dem leben, was wir mit Hilfe der Träger mitgenommen haben. Die Hauptmahlzeit des Tages ist das "porter lunch", das normalerweise zwischen zehn und elf Uhr, nachdem wir schon einige Stunden unterwegs waren, eingenommen wird. Diese Mahlzeit gibt es in drei verschiedenen Variationen: Die Träger essen ihren Tsampa, den mit Buttertee angerührten Gerstenbrei, Sirdar und Koch nehmen nach Sherpa-Art Nudeln mit scharfer Sauce zu sich, und wir bekommen "Pancakes" mit Fisch- oder Fleischkonserven dabei. Den Nepali schmecken unsere westlichen Nahrungsmittel nicht, sie ziehen die ihnen bekannten vor. Rast wird dort gemacht, wo es Wasser und Feuerholz gibt. Die Steine an diesen Regel-Rastplätzen sehen so aus, als ob sie über die Jahrhunderte von Tausenden von nackten Füßen poliert worden sind.

Beim weiteren Abstieg durch die tropfnassen Urwälder begegnen wir Herden von Wasserbüffeln, die von Thamang- oder Sherpahütejungen auf ihre Weiden getrieben werden. Wasserbüffel sind, genauso wie Yaks, ziemlich störrische Tiere, die durchaus ihrem eignen Kopf folgen. Wenn sie grasen wollen, dann grasen sie, und es ist schwierig, sie zum Weiterlaufen zu motivieren. Um sie am Grasen zu hindern, tragen die plumpen, schlammverkrusteten, grau-schwarzen Tiere Maulkörbe aus Stroh. Diese verbundenen Wasserbüffelschnauzen sehen äußerst komisch aus.

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Abstieg vom Tingsa La: Blick nach Osten, zum Sherpadorf   Ruphtang 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Wir steigen am Morgen steil ab. Es geht von 3 319 Meter auf nur noch 1 800 Meter Höhe. In dem kleinen Thamangdorf Ruphtang überschreiten wir auf einer schwankenden Holzbohle einen eiskalt dahinschießenden Gletscherbach. Am Nachmittag geht es dann im strömenden Regen in schier endloser Bergsteigerei wieder auf 2 500 Meter hoch. Unser Tagesziel ist heute das lamaistische Kloster Bigu.

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Sherpamädchen in Ruphtang 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Langsam zehren unsere Körper ihre Energiereserven auf. Man kann geradezu spüren, wie die Kräfte dahinschwinden. Es ist nicht nur das Wetter, das einen fertig macht, sondern auch die vielen kleinen eingebildeten oder nicht so eingebildeten körperlichen Probleme. Immer wieder kommt selbstquälerisch die Frage auf, welcher Teufel einen geritten hat, sich auf eine solche Unternehmung einzulassen.

Auf einer Höhe machen wir im Regen Rast. Einer unser Thamangträger schimpft vor sich hin, die anderen lachen. Er hat gerade einen großen Stein in seinem Korb entdeckt, den ihm seine Kollegen früher am Tage hineingezaubert haben, und den er jetzt die letzten paar hundert Höhenmeter hochgeschleppt hat. Wir erleben hier ein Beispiel ganz typischen nepalischen Trägerhumors. Wahrscheinlich ist ein Trägerdasein in Nepal, das aus einer vierzig Kilogramm schweren Last auf dem Rücken und täglich einigen Händen voll Tsampa besteht, ohne diesen Humor nicht zu ertragen.

Wir treffen hier oben auch einige Sherpafrauen und -männer, die dabei sind, aus Lehm eine große, den tibetischen Göttern wohlgefällige Tschörte zu bauen. Die Bruchsteine, die diesen harmonisch geformten Reliquienschrein später verkleiden sollen, liegen daneben. Sie lachen und scherzen und freuen sich sichtlich über uns und den Stein im Tragkorb des Trägers. Die Sherpa bieten uns Pellkartoffeln mit unglaublich scharfer Chilisauce und selbst gebrautem Tschang an. Hier erleben wir auch die ersten Juga, die nepalischen Blutegel, die größte Plage der Himalayawälder der Monsunzeit.

Im Nebel und Regen erreichen wir das Kloster Bigu, einen einfachen, viereckigen weißen Bau mit einer Votivgebetsmühle auf dem roten Wellblechdach. In der Gompa bewundern wir die schönen Wandmalereien mit den vielen verwirrenden Darstellungen des Vajrayana-Buddhismus. Zum Schlafen beziehen wir eines der kleinen Klosterhäuser, die sich um die Hauptgompa gruppieren. Wir wohnen im Obergeschoss, während im Erdgeschoss gekocht wird. Der tränentreibende Rauch zieht durch die klaffenden Risse des Holzfußbodens nach oben und streicht über unsere Schlafsäcke. Einige jämmerlich aussehende, zerlumpte weibliche Bewohner der Gompa weichen uns nicht von den Fersen, bis jede eine individuelle "Klosterspende" erhalten hat.

Der neue Tag beginnt mit Nima Lamas morgendlichem Gebetsgemurmel, das sich, monoton und mit stakkatoartiger Geschwindigkeit dahingesprochen, bis zu einer halben Stunde ausdehnen kann. Währenddessen zieht Bahadurs Frühstücksrauch bereits durch alle Ritzen und reizt die Schleimhäute. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als aufzustehen.

Beim ersten Blick nach draußen sehen wir, daß es über Nacht auf den tibetischen Grenzbergen nördlich von uns geschneit hat. Jetzt, am Morgen, ist das Wetter herrlich. Die steilen, zackigen Berge der Trangmar-Danda-Gebirgskette mit dem über 5 000 Meter hohen Ama Bamare sind klar gestochen in den morgendlichen Himmel gezeichnet. Wir zeigen Nima Lama und unserem Koch, Indra Bahadur Mangar, auf der Karte die Nähe der tibetischen Grenze. Beide sind sichtlich beunruhigt.

Kurz nach sechs Uhr brechen wir auf. Es geht wieder abwärts, und Nima hat gleich am frühen Morgen den Weg verloren. Wir klettern querfeldein über die zahllosen Reisterrassen hinab. Das macht mit den Hunderten von senkrechten Begrenzungsstützmauern, die wir übersteigen müssen, den taufeuchten Reisfeldern, den vielen Brennnesseln und Blutegeln wirklich keinen großen Spaß mehr. Die gesamte Landwirtschaft beruht hier auf dem intensiven Terrassenanbau. Die schmalen Terrassen sind Jahrhunderte alt, viele Generationen haben an den zahllosen, aus einzelnen Bruchsteinen errichteten Mäuerchen und den kunstvollen Bewässerungsanlagen, durch die das Wasser auf die einzelnen Terrassen verteilt wird, gearbeitet. Die Terrassenhänge sehen wie Treppen aus, die in den Himmel zu führen scheinen.

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Abstieg von der Bigu Gompa in das Tamba Kosi-Tal: Sherpa-Bauer mit Wasserbüffel 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

In neunzig Minuten sind wir 700 Meter abgestiegen. Erst als wir wieder Manimauern und Chautaras vorfinden, wissen wir, daß wir den richtigen Weg wiedergefunden haben. Kurz nach acht Uhr kommen wir in dem schönen Thamangdorf Alampu an, das mit den vielen bunten Blumen im Vordergrund einen bezaubernden Kontrast zu den beschneiten Trangmar-Danda-Bergen im Hintergrund abgibt. Alampu liegt genau über dem Zusammenfluss von Samling Khola, der an der tibetischen Grenze entspringt, und Amatol Khola, der vom Tinsang La kommt. In einem malerischen Haus, das von Blumen geradezu überwuchert ist, warten wir auf unsere Träger, die um einiges später auf dem richtigen Weg angetrabt kommen. Von hier geht es weiterhin die steil geneigten Hänge bergab bis zum 500 Meter tiefer gelegenen Samling Khola. Die Aussicht, daß wir die mit schmerzenden Knien abgestiegenen Höhenmeter auf der anderen Talseite wieder mühselig hochklettern müssen, hebt nicht gerade unsere Laune.

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Alampu in Lapchi Kang 
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Unten angekommen, überqueren wir den Samling Khola, einen munter dahinschäumenden eiskalten Gletscherfluss, auf einer Brücke, die aus zwei lose nebeneinander liegenden, glitschigen Holzbohlen besteht. Leider ist die rechte Bohle völlig verrottet, und man muß sich auf der linken Bohle, allen Mut zusammennehmend, Fuß für Fuß vorsichtig hinübertasten. Die wackelige "Auslegerbrücke" schwebt mindestens zehn Meter über den Stromschnellen des Samling Khola. Wer da hineinfällt, kann nur noch auf eine bessere Wiedergeburt hoffen! Die nepalischen Brückenkonstruktionen beeindrucken auch abgebrühte, harte Bergsteiger immer wieder ungemein und verlangen beim Hinüberbalancieren jedes Mal neue Mutproben ab. Selbst Nima Lama setzt nur sehr zögernd seine Füße auf dieses lebensgefährliche Meisterwerk einer Brücke.

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Eine von vielen Brücken im Himalaya, die Schwindelfreiheit erfordern (über den Samling Khola im Lapchi Kang)
Photo: Copyright: Klaus Dierks

Den nächsten Wildbach müssen wir direkt überqueren, da die letzte Brücke vor einigen Jahren weggespült worden ist. Ich muß an die lapidare Bemerkung auf meiner Trekking-Landkarte denken, die nüchtern darauf aufmerksam macht, daß damit gerechnet werden müsse, daß "Brücken ohne Vorankündigung verschwinden können". Als ich wieder vor dieser nicht ganz ungefährlichen Durchquerung meine Schuhe ausziehe, sehe ich, daß meine Socken blutverklebt sind: Blutegel! Nima Lama wirft große Felsbrocken in den Fluss, um eine "Behelfsbrücke" zu bauen. Er will sich das Schuheausziehen ersparen und trotzdem trockenen Fußes hinüberkommen. Beim Stein- zu-Stein-Springen gleitet er jedoch aus und fällt in die eiskalte Strömung. Er ist von Kopf bis Fuß nass, und die Träger haben etwas zu lachen. Aber es ist noch einmal glimpflich abgegangen! Bei solchen Flussüberquerungsmanövern kann man leicht seine Ausrüstung oder mehr verlieren.

Auf der anderen Seite geht es leider wieder hoch. Ich quäle mich, oft schweißtriefend und nach Luft ringend, diese mühsamen Stufen- und Klippenwege hinauf und hinunter. Ich überquere Steilhänge, von denen ich mich normalerweise ferngehalten hätte oder rutsche sie einfach hinunter. Die Schönheit der nepalischen Landschaft lenkt mein erschöpftes Gemüt jedoch immer wieder von der ermüdenden Gleichförmigkeit des Marschierens ab, das oft nur noch ein Stolpern ist. Oft genug aber hindern mich die Entbehrungen und Mühsal, die das endlose Auf und Ab auf halsbrecherischen Pfaden mit sich bringt, daran, die herrliche Natur, die Weite und Stille der tiefeingeschnittenen Täler, die farbenfrohen terrassierten Felder, die Blumen an den Häusern und die Gebetsfahnen an den Manimauern wirklich zu würdigen und zu genießen. Mit Sehnsucht schaue ich einem kleinen Flugzeug nach, das Touristen zu den höchsten Bergen der Welt fliegt. Es ist seit mehreren Tagen der erste Laut der Zivilisation. Allerdings kommt es mir so vor, als ob ich schon jahrelang unterwegs sei, und ich würde etwas darum geben, wenn ich an diesem Komfort da oben im Flugzeug teilhaben könnte. Das Motorengeräusch der modernen Zeit klingt mir in dieser räderlosen Umwelt wie Hohn in den Ohren.

Die Körperpflege wird leider nur sehr sporadisch wahrgenommen. Unser Tag beginnt meist bereits vor sechs Uhr morgens. Die Bande zur zivilisierten Welt zerrissen an dem Tag, an dem wir Bahrabise an der Tibet-Straße verließen. Waschen kann man sich nur, wenn Wasser in der Nähe ist, und das ist nicht allzu häufig der Fall. Bei einem Treck durch den Himalaya genießt die Körperhygiene während der normalen Marschroutine keine allzu große Priorität.

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Inhaltsverzeichnis

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